Psychische Faktoren können einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten und den Verlauf von Hauterkrankungen haben. Lesen Sie, wie Haut und Seele zusammenhängen und wie sogenannte psychosomatische Dermatosen behandelt werden.
„Die Haut ist das Spiegelbild der Seele“, sagt schon der Volksmund. Auch Redewendungen wie „Das geht unter die Haut“, „Das ist zum Aus-der-Haut-Fahren“ oder „Das juckt mich nicht“ spielen auf den Zusammenhang von Haut und Psyche an. Das bedeutet nicht, dass jeder Pickel eine psychische Ursache hat. Doch bestimmt haben Sie sich nach einer schlaflosen Nacht auch schon mal über einen fahlen Teint geärgert oder hektische rote Flecken mit viel Make-up kaschiert. Die Haut verändert sich also bei starken Emotionen. Und nicht selten werden vorhandene Symptome stärker, sobald Stress ins Spiel kommt.
Gänsehaut beispielsweise entsteht nicht nur bei Kälte, sondern auch bei Angst oder in besonders schönen Momenten. Wenn bei einem Konzert etwa das gesamte Orchester einsetzt oder Sie ASMR-Geräuschen (autonome sensorische Meridianreaktion) lauschen, die als angenehm kribbelndes Gefühl wahrgenommen werden. Gänsehaut wird von den Musculi arrectores pilorum verursacht, die an jedem Haarbalg sitzen und auf die Reize der Umwelt reagieren. Dieser Muskel sorgt dafür, dass sich die Haarfollikel erheben und sich so die unebene Haut einstellt. Zwischen den aufgerichteten Körperhaaren bildet sich bei Kälte ein wärmendes Luftpolster, das den Körper vor dem Auskühlen schützt. Warum die Haare sich allerdings auch bei emotionalen Reizen aufstellen, ist bis heute nicht wissenschaftlich geklärt.
Ein bekanntes Beispiel für das Zusammenspiel von Haut und Seele ist auch die Schamesröte. Sie steigt uns immer dann ins Gesicht, wenn wir uns in einer peinlichen oder unangenehmen Situation befinden oder aufgeregt sind. Sie kündigt sich mit einem leichten Kribbeln auf Wangen und Stirn an, bis das ganze Gesicht brennt und hochrot anläuft. Rein physiologisch ist Rotwerden ein Zeichen dafür, dass unser Gesicht stärker durchblutet wird. Steuern lässt sich dieser Prozess nicht, weil er vom vegetativen Nervensystem ausgelöst wird. Zum vegetativen Nervensystem gehören die beiden Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus, die für Anspannung und Entspannung stehen und die auf die meisten Organe im Körper einwirken. Bei der Schamesröte dominiert der antreibende Sympathikus den beruhigenden Parasympathikus und versetzt den Körper in Alarmbereitschaft.
Obwohl die Schamesröte und auch Gänsehaut für Betroffene unangenehm sein können, stellen sie keine behandlungsbedürftigen Krankheiten dar. Allerdings können auch Hautkrankheiten durch psychische Faktoren ausgelöst beziehungsweise verschlimmert werden. Stress etwa kann Pickel und Mitesser verursachen, da das Stresshormon Cortisol die Produktion der Talgdrüsen anregt. Umgekehrt kann kranke Haut, die von vielen Betroffenen als unangenehm und entstellend empfunden wird, zur seelischen Belastung und zum Auslöser für psychische Erkrankungen werden. Mit diesen Zusammenhängen zwischen Haut und Psyche beschäftigt sich die psychosomatische Dermatologie (auch: Psychodermatologie).
Untersuchungen an Menschen mit Hautproblemen zeigen, dass diese oft zusammen mit einer psychischen Erkrankung auftreten. Besonders häufig zeigte sich ein Zusammenhang bei folgenden Hauterkrankungen:
Diese Hautkrankheiten sind zwar meist genetisch bedingt, doch ob und wann diese Krankheiten ausbrechen, wie sie sich manifestieren und wie lange sie andauern, hängt von vielen Faktoren ab. So gibt es Zusammenhänge zwischen Nesselsucht und unterdrückter Wut sowie zwischen Neurodermitis und Stress. So hat die Medizinische Hochschule Hannover festgestellt, dass sich bei Neurodermitikern unter akutem Stress sowohl die Zahl der weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) als auch die der Immunbotenstoffe (Zytokine), die für die Entzündungen bei dieser Hauterkrankung wesentlich verantwortlich sind, stark erhöhte. Weil sich diese Hautkrankheiten also körperlich äußern (somatisch), aber psychisch beeinflussen lassen, werden sie auch als „psychosomatische Dermatosen“ bezeichnet.
Auch das Zusammenspiel von Haut und Seele bei Herpes ist gut untersucht. In Deutschland sind schätzungsweise mehr als 80 Prozent der Erwachsenen mit dem HSV-1-Virus infiziert, das Bläschen im Lippenbereich auslösen kann. Sie tragen das Virus in sich, weil sie sich irgendwann – oftmals bereits im Kindesalter – damit infiziert haben. Es kann jahrelang inaktiv in den Nervenbahnen ruhen, bis es durch einen Auslöser aufgeweckt wird und es zu einer erneuten Infektion kommt. Solche Auslöser können Stress und Ekel sein: Forscher von der Universität Trier haben herausgefunden, dass beides dem Immunsystem einen Dämpfer versetzt, wodurch sich Herpesviren (wieder)ungehindert vermehren können. Innerhalb von nur zwei Tagen, nachdem sie sich eklige Bilder von dreckigem Geschirr ansehen mussten, bekamen die Probanden Lippenbläschen.
Die meisten psychosomatischen Dermatosen sind bislang nicht vollständig heilbar. Oftmals besteht das primäre Behandlungsziel darin, eine Stabilität der Erkrankung zu erreichen und Einschränkungen im Alltag zu verhindern. Trotzdem sollte auch die psychische Seite von Hauterkrankungen berücksichtigt und behandelt werden. Der S1-Leitlinie zur psychosomatischen Dermatologie zufolge besteht eine Indikation unter anderem immer dann, wenn Betroffene sich nicht mehr in die Öffentlichkeit trauen oder die Hauterkrankung durch psychische Belastungen verschlimmert wird.
Psychodynamische Psychotherapieverfahren sehen die Haut als Ausdrucksorgan für (vergangene) Traumatisierungen der Betroffenen. In der Therapie werden solche Erlebnisse identifiziert und aufgearbeitet. Die Verhaltenstherapie strebt eine Veränderung ungesunder Verhaltensmuster an, indem den Betroffenen etwa Alternativen zum Kratzen bei Juckreiz aufgezeigt werden. Durch Kompetenztraining und Rollenspiele lernen sie, soziale Defizite abzubauen. Kognitive Umstrukturierung hilft ihnen, umzudenken und sich gedanklich nicht mehr so stark auf den Hautzustand zu fixieren.
Weitere Therapiemöglichkeiten sind:
Mit Entspannungstechniken lernen die Betroffenen, Spannungen abzubauen, ihr Selbstwertgefühl zu verbessern und ihren Körper zu akzeptieren:
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