Durch Antibiotika haben viele bakterielle Infektionen ihren Schrecken verloren. Ihrer zuverlässigen Wirkung können jedoch auch die erwünschten Bakterien der Darmflora zum Opfer fallen und unangenehme Nebenwirkungen auslösen. Wie Sie Ihre Darmflora wieder aufbauen, lesen Sie hier.
Die Entdeckung des Penicillins ist einer der bedeutendsten Meilensteine der Medizin. Auf einer vergessenen Petrischale mit einer Staphylokokkenkultur entdeckte Alexander Fleming einen grünen Schimmelpilz, der die Bakterien in Schach gehalten hatte. Fleming schlussfolgerte, dass der als Penicillium notatum bestimmte Schimmelpilz eine bakterienabtötende Substanz produziert haben musste. Es gelang ihm, diese zu extrahieren, und er nannte sie Penicillin. 1929 veröffentlichte er seine Erkenntnisse im British Journal of Experimental Pathology. In großem Maßstab wurde das Penicillin erstmals 1943 auf den Schlachtfeldern Nordafrikas eingesetzt. Mit beeindruckendem Erfolg: Plötzlich überlebten Soldaten, die zuvor noch an Wundbrand gestorben wären.
Der Name „Penicillin“ wird umgangssprachlich oft als Überbegriff für antibiotisch wirksame Wirkstoffe verwendet. Dabei stellen die Penicilline heute nur eine Substanzklasse dar, neben der die medizinische Forschung viele weitere Wirkstoffe hervorgebracht hat. Sie unterscheiden sich unter anderem in ihrem chemischen Aufbau und in ihrer Wirkweise: Bakteriostatisch wirkende Antibiotika hindern die Bakterien dabei, sich weiter zu vermehren, während bakterizid wirkende Antibiotika die Zellwand der Bakterien auflösen und sie so abtöten.
Penicillin selbst ist wirkungslos gegen die meisten Bakterientypen, die über eine zusätzliche äußere Lipidmembran verfügen und von dieser vor dem Angriff des Penicillins geschützt werden. Doch dank der großen Vielfalt an Antibiotika können wir heute eine große Bandbreite an Bakterien zuverlässig behandeln. Diese Stärke ist gleichzeitig ein großer Nachteil, denn Antibiotika wirken nicht spezifisch. So fallen einer Behandlung auch erwünschte Bakterien im Körper zum Opfer: die der Darmflora.
Die Darmflora – in medizinischen Fachkreisen heute als Darmmikrobiom bezeichnet – ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln. Rund 99 Prozent davon befinden sich im Dickdarm. Neben einem kleineren Anteil an Viren und Pilzen bilden etwa 100 Billionen Bakterienzellen den mit Abstand größten Teil dieser komplexen Lebensgemeinschaft. Sie helfen mit, den Speisebrei zu verdauen, produzieren Vitamine und trainieren das Immunsystem. Zudem reicht ihre Anwesenheit, die Fehlbesiedelung mit Krankheitserregern zu verhindern.
Wie sich eine Behandlung mit Breitband-Antibiotika auf die Darmflora auswirkt, hat ein Forschungsteam unter der Beteiligung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin untersucht. Dazu haben sie zwölf gesunden Männern über vier Tage hinweg einen Mix aus drei stark wirksamen Antibiotika verabreicht, der normalerweise gegen resistente Keime eingesetzt wird. Dabei sei der Darm zwar nicht vollständig steril geworden, doch wurde die Darmflora auf ein Minimum reduziert. Unter den verbliebenen Bakterien entdeckte das Team einige bislang unbekannte Arten. Andere Keime verwandelten sich zu Sporen, einer Form, in der Bakterien bei schlechten Bedingungen viele Jahre ausharren können.
Sechs Monate dauerte es, bis sich die Darmflora der Probanden nahezu vollständig regeneriert hatte. Zuerst tauchten allerdings vermehrt Bakterien mit krankmachenden Eigenschaften auf, die mit der Zeit von guten Bakterien, wie beispielsweise den Milchsäure produzierenden Bifidobakterien, verdrängt wurden. Die Forscher verglichen dies mit dem Prozess nach einem Waldbrand, wo sich ebenfalls zuerst die Pionierpflanzen ansiedeln. Einige besonders nützliche Bakterien, die das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper verhindern, suchte das Team selbst nach sechs Monaten noch vergebens. Mit welchen langfristigen Problemen dies verbunden sein kann, sollen künftige Studien zeigen.
Nach der Einnahme von Antibiotika kann es deshalb zu gesundheitlichen Problemen kommen. Besonders anfällig sind Kinder, denn bei ihnen ist die Darmflora noch nicht so ausgereift wie bei Erwachsenen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Antibiotika zählen deshalb Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung. Die reduzierte Darmflora kann außerdem dazu führen, dass sich unerwünschte Keime ansiedeln und Pilzerkrankungen des Darms auslösen. Darüber hinaus wird die geschädigte Darmflora mit weiteren Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Diskutiert werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten, Übergewicht und sogar psychische Störungen wie Depressionen.
Die gute Nachricht: Bei gesunden Menschen regeneriert sich die Darmflora nach einiger Zeit von allein nahezu vollständig. Etwas schneller geht es, wenn Sie Ihrer Darmflora gezielt wieder auf die Sprünge zu helfen. Am einfachsten gelingt dies, wenn Sie Ihre Ernährung nach der Antibiotika-Behandlung um darmfreundliche Lebensmittel ergänzen:
Sprechen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin an, falls Sie nach der Einnahme von Antibiotika unter starken Beschwerden leiden. Er oder sie kann Sie über passende Präparate aus der Apotheke beraten, mit denen sich die angeschlagene Darmflora ebenfalls wieder aufbauen lässt. In besonders schweren Fällen kann erwogen werden, ob die Darmflora anschließend mit einer Stuhltransplantation wieder aufgebaut werden soll. Ist dies im Vorfeld geplant, lassen sich die Bakterien als Stuhlprobe vor der Behandlung entnehmen, einfrieren und anschließend per Sonde wieder in den Darm bringen. Ungeplant ist die Stuhltransplantation nur mit der Probe eines Spenders – meist aus dem häuslichen Umfeld des Patienten – möglich. Derzeit gilt eine Stuhltransplantation bei wiederkehrenden Infektionen mit dem resistenten Bakterium Clostridium difficile nach einer Behandlung mit Breitbandantibiotika als überzeugendste und am besten erforschte medizinische Maßnahme (Indikation).
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